Wir LBD: Wie bist du von der stellvertretenden Verwaltungsleitung in den Grenzeinsatz gekommen?
Ott: Von einem auf den anderen Tag. Am Dienstag wurden wir in der Dienststelle informiert und am Mittwoch habe ich gemeldet: „Ich stehe zur Verfügung“. Ich dachte zuerst, meine Hilfe wird im Krisenstab benötigt, einige Zeit später wurde ich dann telefonisch von der BH Ried informiert, dass ich mit dem morgigen Tag im Grenzeinsatz in Obernberg am Inn, gemeinsam mit der Polizei, gebraucht werde. Nach dem Motto „Viel Spaß, morgen geht’s los“.
Wie sah die Vorbereitung auf deinen Einsatz aus? Wusstest du was du zu tun hast?
Das Ganze passierte über E-Mail und Telefon. Mit dem Bezirkspolizeikommandanten vereinbarte ich Zeiten, an denen wir Grenzkontrollen durchführen. Die BH gab mir einen telefonischen Crashkurs und ein kurzes Briefing über Dinge wie Einreisebestimmungen am Telefon und per Chauffeur wurde mir eine Box mit notwendigen Unterlagen geschickt.
Also quasi vom Büro der Verwaltungsleitung der Straßenmeisterei zur Gesundheitsbehörde des Landes in ein Grenzposten-Häuschen?
Genau! Ich nahm von einer Minute auf die Andere die Verantwortung der Gesundheitsbehörde ein. Wobei Häuschen hatte ich keines. Dankenswerterweise haben mir meine Kollegen und vor allen mein Dienststellenleiter sehr geholfen, einen ausgeschiedenen Bauwagen mit Strahler und Strom aufzustellen, so konnte ich mich in der kalten Jahreszeit gelegentlich bei Kaffee und Tee aus der Thermoskanne aufwärmen.
Wie ist es dir damit gegangen?
Ich war mit der Behördenarbeit vertraut, da ich in einer Bezirkshauptmannschaft gelernt habe. Als Gesundheitsbehörde Einreisende zu kontrollieren war ganz neu für mich. Auch die Kommunikation und das Zusammenarbeiten auf Augenhöhe mit der Polizei war eine Verantwortung und Erfahrung, die ich bisher noch nie hatte. Ich musste nun Einreiseverbote aussprechen.
Wie waren diese Kontrollen für dich?
Anfangs war es für mich ein sehr befremdliches Gefühl. Ich wusste nicht, wie solch eine Grenzkontrolle eigentlich abläuft bis es dann soweit war. Ich musste der Polizei sagen, welche Autos wir aufhalten und die Befragungen durchführen. Eine ganz neue und tiefe Erfahrung für mich - einerseits in Bezug auf die Polizeiarbeit, wie auch das Erleben der Menschen, die wir kontrollierten.
Neue Erfahrungen?
All die Gefühle der Menschen, ganz gleich ob Wut, Empörung, Verzweiflung oder Angst prasseln auf dich ein – du bist der Prellbock für sie. Es war nicht immer leicht. Zum Glück hatte ich echt tolles Polizeipersonal an meiner Seite, die mich in solchen Situationen unterstützt haben. Es ist unglaublich, welch besondere Arbeit und vor allem mit welcher Sensibilität diese Menschen tagtäglich eben diese verrichten - so war mir das noch nie vorher bewusst.
Hattest du Ängste?
Man wird Zeuge von sehr persönlichen Geschichten, welche einem sehr nahe gehen. So etwas schürt auch die ständige Angst im Hinterkopf „Ich will nicht zum Überträger für eine dieser Personen werden“. So etwas will man sich nicht vorwerfen lassen, wenn man deren Schicksale hautnah erlebt.
Würdest du wieder ja sagen?
Es ist eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Ja, auf jeden Fall.