In offener Frist übermittelt die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst ihre Stellungnahme zum gegenständlichen Entwurf.
Allgemeines
Die GÖD begrüßt jede Maßnahme, die den Gesundheitsschutz der Bevölkerung verbessert.
Eine allgemeine Impfpflicht stellt einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff dar.
Die Basis einer solchen Entscheidung sind virologische, epidemiologische und medizinische Überlegungen und Expertisen, über die die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst nicht verfügt. In dieser Hinsicht müssen wir auf die ExpertInnen vertrauen.
Zweifellos ist laufend zu überprüfen, wie wirksam die zugelassenen Impfstoffe gegen neue Mutationen sind. Dies erscheint nicht nur verfassungsrechtlich aufgrund der Schwere des Grundrechtseingriffes durch eine Impfpflicht geboten, sondern dies ist auch eine gesellschaftspolitische Notwendigkeit, um die Spaltung innerhalb der Bevölkerung zwischen Impfbefürworter:innen und Impfgegner:innen nicht weiter zu vertiefen.
Seit Beginn der Pandemie liegt unser Fokus darauf, den Gesundheitsschutz der Kolleg:innen zu verbessern und nachteilige Folgen einzelner Maßnahmen auf Berufstätige abzuwenden. Es ist jedenfalls sicherzustellen, dass ein Verstoß gegen die Impfpflicht als bloße Verwaltungsübertretung keine arbeits-, dienst- oder besoldungsrechtlichen Folgen für die Bediensteten nach sich zieht
Unabdingbar ist, das Gesundheitssystem, die Verwaltung und die Justiz mit ausreichenden personellen Ressourcen auszustatten, um die Bewältigung der Pandemie und die organisatorische Umsetzung des geplanten COVID-19-IG zu gewährleisten.
spezielle Anmerkungen
ad § 1: Da in Österreich viele Grenzgänger:innen arbeiten – insbesondere auch im Gesundheitsbereich –, wird um eine klarstellende Regelung hinsichtlich der Vorgaben für diese Personengruppe ersucht. Nach dem vorliegenden Entwurf wären diese Personen von einer Impfpflicht nicht erfasst.
ad § 3: § 3 Abs 1 Z 2 sieht eine Ausnahme von der Impfpflicht für Personen vor, „die nicht ohne Gefahr für Leben oder Gesundheit geimpft werden können, sofern dieser Gefahr auch nicht durch die Wahl des Impfstoffs durch den Impfpflichtigen begegnet werden kann“.
In den Erläuterungen (S. 5) heißt es: „Ebenso ausgenommen sind Personen, denen eine Impfung nicht ohne Gefährdung für Leben oder Gesundheit verabreicht und der Gefährdung auch nicht durch ein Ausweichen auf andere zentral zugelassene Impfstoffe begegnet werden kann.“
Das entspricht nicht der Aussage des Gesetzestextes, der die Wahl des Impfstoffs nicht auf einen zentral zugelassenen Impfstoff einschränkt. Lt. Gesetzestext könnte es sich auch um einen anerkannten Impfstoff gem. § 2 Z 4 handeln.
Was medizinisch sinnvoll ist, kann die GÖD nicht beurteilen. Es sollte aber kein Widerspruch zwischen Gesetzestext und Erläuterungen bestehen.
Etwaige Ausnahmen von der Impfpflicht sind unter Anführung festgelegter Inhalte und unter Einhaltung der Vorgaben des § 24d Abs 1 GTelG im zentralen Impfregister zu speichern. Eine nachträgliche Änderung ist nicht vorgesehen, womit sich aber die Frage stellt, wie mit Bestätigungen durch Ärzt:innen umgegangen wird, die auf Grund des Ausstellens von ärztlichen Bestätigungen über das Vorliegen eines Ausnahmegrunds, die nicht dem Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechen, eine Verwaltungsübertretung begangen haben. Zumindest für diesen Fall sollte die Möglichkeit einer Löschung des Ausnahmegrunds vorgesehen werden.
ad § 4: § 4 Abs. 1 muss überarbeitet werden. Bei dem vor allem im Frühling 2021 verabreichten Impfstoff von AstraZeneca (zentral zugelassener Impfstoff gemäß § 2 Z 3 lit. b) war nach den Empfehlungen des Nationalen Impfgremiums ein Impfintervall zwischen Erst- und Zweitimpfung im Ausmaß von 12 Wochen (84 Tagen) vorgesehen. Nach dem Gesetzesentwurf würde das nicht dem vorgeschriebenen Impfintervall entsprechen, womit die Zweitimpfung zu einer zweiten Erstimpfung und der eventuell bereits erfolgte „Booster“ zur dritten Erstimpfung würden. Das wäre absurd und ist wohl nicht intendiert.
Bei anderen Impfstoffen gibt es Fälle, in denen aufgrund der Impfterminvergabe für die Zweitimpfung im Frühling 2021 bzw. aufgrund von Erkrankung die Zweitimpfung erst einige Tage nach dem im Entwurf vorgesehenen 42-tägigen Zeitraum vorgenommen werden konnte. Auch für diese Fälle sollte klargestellt werden, dass die Impfpflicht erfüllt wurde und dass kein neuer Impfzyklus erforderlich ist.
§ 4 Abs. 3 bedarf ebenfalls einer Überarbeitung. Darin wird festgelegt, dass jene Personen, deren Erstimpfung im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes länger als 360 Tage zurückliegt, eine erneute Impfserie beginnen müssen.
Im Jänner 2021 haben mehr als 240.000 Personen eine Erstimpfung erhalten. Diejenigen von ihnen, die in weiterer Folge entsprechend den Empfehlungen des Nationalen Impfgremiums eine Zweit- und Drittimpfung erhalten haben, müssten eine erneute Impfserie beginnen, was wenig sinnvoll erscheint.
ad § 6: Nach § 6 hat der zuständige Bundesminister am 15. Februar 2022 und in weiterer Folge in Abständen von jeweils drei Monaten Personen, die die Impfpflicht nicht erfüllen, zu ermitteln und diese darüber zu informieren und daran zu erinnern, dass die jeweilige Impfung bis zum Impfstichtag oder zu dem im Abstand von jeweils drei Monaten darauffolgenden Tag nachzuholen ist.
In den Erläuterungen (S. 10) heißt es dazu: „Hierbei handelt es sich um eine Dienstleistung, im Zuge derer die Normunterworfenen auf ihre Verpflichtungen nach diesem Bundesgesetz hinzuweisen sind. Diese Maßnahme ist auch vor dem Hintergrund des verfassungsmäßigen Gebots der Anwendung gelinderer Mittel zur Verhängung von Zwangsmaßnahmen zu sehen.“
Handelt es sich nun um eine reine Dienstleistung, oder ist ein solches Schreiben verfassungsmäßig geboten? Das ist insofern relevant, als im ersten Fall die – aus welchem Grund auch immer – nicht erfolgte Zustellung dieses Schreibens rechtlich bedeutungslos ist, im zweiten Fall jedoch die Nicht-Zustellung möglicherweise von der Impfpflicht oder zumindest von der Bestrafung der Nicht-Einhaltung derselben befreien könnte.
ad § 7 und 8: Die Umsetzung der vorgesehene Strafbestimmungen wird in der Praxis zu massiven Problemen führen. Diese Bedenken betreffen einerseits die Einleitung und Durchführung von Strafverfahren durch die bereits jetzt arbeitsmäßig sehr stark belasteten Bezirksverwaltungsbehörden sowie andererseits den zu erwartenden vermehrten Arbeitsanfall im Falle von Beschwerden an die Verwaltungsgerichte.
Die Flut an zu erwartenden Einsprüchen gegen Strafverfügungen mit den damit einhergehenden Beschwerden gegen Bescheide im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren wird mit dem vorhandenen Personal nicht zu bewältigen sein bzw. wird die Bearbeitung der COVID-19-Impfdelikte derart viel Zeit- und Personalressourcen in Anspruch nehmen, dass andere Zuständigkeitsbereiche der Bezirksverwaltungsbehörden nicht mehr ausreichend betreut werden können.
Dr. Franz Pietsch, Gruppenleiter im BMSGPK, berichtete lt. Martin Thür am 9. Dezember 2021 in der Corona-Kommission Folgendes: „Man gehe in der Annahme von knapp zwischen 650.000 bis 1. [sic!] Mio Personen aus, die ggf. den Verfahrensweg bestreiten. […] Es sei naturgemäß damit zu rechnen, dass der Verwaltungsaufwand insbesondere im ersten Jahr der Impfpflicht hoch ist.“
Die GÖD fordert daher:
- Aussetzung der Haftung von KollegInnen, wenn auf Grund von Überlastung Verjährungen eintreten
- Schaffung eines Straftatbestands in Anlehnung an § 82 SPG (aggressives Verhalten gegenüber Organen der öffentlichen Aufsicht oder gegenüber militärischen Organen im Wachdienst) zur Erhöhung des Schutzes der KollegInnen
- Durchführung der Verfahren ausschließlich schriftlich
- 3G-Regel beim Betreten von Behörden
- Kürzung bzw. Aussetzung staatlicher Leistungen in der vorgesehenen Strafhöhe, um die staatlichen Systeme nicht noch weiter zu überlasten
- Aufstockung des Personals im Gesundheitssystem, der Verwaltung und der Justiz, um die Bewältigung der Pandemie und die organisatorische Umsetzung des geplanten COVID-19-IG zu gewährleisten – wie bereits eingangs erwähnt
MITGLIED SEIN LOHNT SICH: